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                                        Schiffsversorgung

                                                    Das Warenhaus für Seeleute

Proviant-welche Menge benötigte damals ein Schiff für die Reise?

Ein  Handelsschiff, mit  der  damals  üblichen  Besatzungsstärke  von  ca. 32  bis  40  Seeleuten (einschließlich  Passagieren), benötigte  für  eine   Reisedauer  von  ca. 100  Tagen  folgende  Grundausrüstung  an  Lebensmittel:

  • 500  kg   Rinderviertel, Hammel, Wildschwein, Kälber, 250  kg  Geflügel
  • 250  kg  Schweinehälften, 70  kg  Innereien
  • 500 kg  Fleisch  zerlegt: Rind, Schwein, Wild  u.ä., 50  kg  Schinkenartikel
  • 250 kg Wurstsortiment, 150  Stück  div. Fleisch- und  Wurstkonserven
  • 1  tonne  Kartoffeln, 1  tonne  Mehl
  • 500  kg  Frischgemüse , 100  kg  Frischobst
  • 100  kg  Südfrüchte, 400  kg  Obstkonserven
  • 400 kg  Gemüsekonserven, 200 kg  Gefrierkonserven  Obst+ Gemüse
  • 1  Faß  Sauerkraut, 150  kg  sonstige  Nährmittel
  • 150  kg  Brote, 150  kg  Zucker, 50  kg  Salz
  • 100  kg  Marmelade, Honig  etc., 50  kg  Gewürze
  • 400  Fl. Obstsäfte, 10  kg  Süß+ und  Dauerbackwaren
  • 5400  Eier, 100  kg  Speisequark
  • 200  kg  Butter, 200  Fl.  Speiseöl
  • 150  kg  Margarine, Schmalz  u.ä., 100  kg  Käse
  • 1000  kg  Fisch, gefroren/ 2 Fässer (100kg) Salzfisch (Matjes, Salzhering)
  • 1800  Btl. H-Milch= 900  ltr.

Diese  Grundausrüstung  wurde , je  nach  Fahrtgebiet  und  Möglichkeit,  durch Zukäufe  frischer  Lebensmittel, wie  Obst, Gemüse, Frischfisch  und Molkereiprodukte   kontinuierlich  ergänzt.

Hinzu  kommen  aber  auch  noch  andere  wichtige  Artikel, die  nicht  fehlen durften:

  • 500  Kästen  alkoholfreie  Getränke, 1000 Fl.  Wein, Sekt,
  • Diverse  kg.  Kaffee, 700  Fl.Spirituosen,
  • 650  Kästen  Bier, 360 Dosen  Juice, 100 000  Zigaretten
  • Div. Sortiment  Transitware-von  Schokolade, Knabbergebäck  bis
  • Kosmetik
  • Drogerieartikel
  • Waschpulver....

Schiffsversorgung-ein Pressebericht aus dem Jahre 1969:

"Wer in einem Jahr 8000 Schiffe aus 34 Ländern abfertigt, der weiß um die Wünsche der Fahrensleute von vielen Kontinenten. Eben darum geht es dem VEB Schiffsversorgung, den Chip-chandlers, im Rostocker Überseehafen und in anderen DDR-Häfen.

Mehr als 8000 große und klein Pötte jährlich-das sind jeden Tag über 20 Logger, Tanker, Massengutfrachter, Frucht-, Urlauber-, Fang- und Verarbeitungsschiffe und diverse andere. Schnell wie der Rostocker Hafen und unsere Flotte wuchs auch der im Januar 1959 gegründete VEB Schiffsversorgung: Im Gründungsjahr fertigte man einschließlich der Fischerei nur rund 2000 Schiffe ab.

Die Schiffsversorgung ist ein Generalausrüster. Hier bekommen die Seeleute neben Proviant, seemännischen und technischen Ausrüstungen auch Transitware und Seenotverpflegung. Es wird alles gehandelt, was Gaumen und Magen sich wünschen. Immerhin nimmt ein 10 000-Tonner für eine sechs Monate währende Reise fünfzehn bis zwanzig Tonnen Proviant mit. Ein Urlauberschiff benötigt für eine dreiwöchige Fahrt 60 bis 80 Tonnen.

Bunt ist auch die Palette der seemännischen und technischen Ausrüstungen. Rund 8000 Artikel stehen zur Auswahl: Drahtseile, Tauwerk, Signalflaggen, Werkzeuge, Farben, Bürobedarf etc. und zur Weihnachtszeit Tannenbäume und Christbaumschmuck usw........"Soweit die offizielle Darstellung.

So sah die Praxis damals aus:

Obwohl  man  sich  von Seiten  der  Schiffsversorgung sicherlich  immer  die grösste  Mühe  gab, den  vielfältigen  und  mitunter  sicherlich  auch ungewöhnlichen  Wünschen  der  Schiffsbesatzungen  zu  entsprechen, gab  es doch  oft  von  Seiten  der  DSR- Seeleute  verständnisloses  "Kopfschütteln". Das  trat  immer  dann  ein, wenn  irgendwelche  banale  Artikel  einfach  nicht lieferbar  waren. Auch  die  damaligen  "Chip-chandlers" waren  den allgegenwärtigen  chronischen  Lieferengpässen  unterworfen. Das  war  auch nicht  mit  außergewöhnlichem  "Organisationstalent"  zu  überspielen. Diese Situation  war  es  aber, die  der  Schiffsversorgung, den  spöttischen Beinamen "Schiffsversenkung"  seitens  der  Seeleute  verpasste.              

Es  war  "Hein Seemann"  einfach  unverständlich, daß  ein  Schiffshändler bereits  im  September  ein  seegehendes  Schiff, mit  einer  kompletten Weihnachtsausrüstung  vom  Tannenbaum  bis  zum  Dresdner  Stollen ausrüsten  konnte,  andererseits  aber  nicht  in  der  Lage  war  einen  simplen elektrischen  Wasserkochtopf  oder  ein  bestimmtes  Ersatzteil  zu  liefern. Es ließ  schon  am  gesunden  Menschenverstand  zweifeln, wenn  man  diese Artikel  dann  bei  Zerssen & Co. im  Kielkanal  für  teure  und  knappe  Valuta einkaufen  musste. Wenn  man  dann  bei  dem  Wasserkocher  der Marke "Privileg"das  Kürzel  "made in GDR" und  bei  dem  eigens  georderten  Tieflader mit  dem  dringend  benötigten  Maschinenersatzteil, das  Magdeburger KFZ-Zeichen  und  die  dazugehörige  Maschinenbaufabrik  lesen  konnte, war die  Verständnislosigkeit  nicht  mehr  zu  toppen. Irgendeine  Firma  hatte  ihren  Valutaplan  erfüllt....

Auch   andere  Situationen   waren   es,  die  diese  Art  Haßliebe  zwischen  Seemann und  Schiffsversorgung  ausmachten. Wenn  z.B.  im  Hochsommer, mittags  bei über 30 Grad, die  benötigten  15-20 t  Lebensmittel  angeliefert  wurden. Während  des  Lade- und  Löschbetriebes  an  der  Pier  und Schiff, abgestellt  auf Paletten  unerreichbar  für  Kran  und  eigenem  Ladegeschirr, zwischen Auspuffgasen  und  Schienenverkehr, sowie "neugierigen"  Hafenarbeitern.Flatternde, weggewehte Abdeckplanen, die vormals  über  frischen  Schweinehälften, Rindervierteln  und  gefrorenen Hammeln  lagen....

Zwei  Mann, die  dann  diese  glitschigen  Teile  den  Fliegenschwärmen  entreissen  mussten, slalomlaufend  an  der  Pier, die  steile Gangway  herauf  und  dann,die  engen  Niedergänge  herunter,  bis  in  die  Kühlzellen  in den  Tiefen  des Schiffsbauchs. Frischfleisch  für  Monate, Gemüse, Obst, Konserven  und  Getränke, Spirituosen  und  Dauerwürste  verlasten, die auch  gerne  den  Besitzer  auf  diesem  Weg  schon  gewechselt hätten. Terminkollisionen  mit  den  "Chip-Chandlers", die  es  damals  einmalig  auf  der Welt  fertigbrachten, den  im  Hafen liegenden  Schiffen  täglich zum  Frühstück  bis  an  die Gangway, frische Milch  und  Brötchen  anzuliefern.

Aus einem Prospekt jener Jahre......

Hafenbestellung

Wir sehen hier einen Lieferschein der Schiffsversorgung Rostock. Diese Bestellung wurde vom heimkehrenden Schiff kurz vor Einlaufen im Heimathafen über Funk/UKW aufgegeben.

Bestellt wurde für die anstehende Hafenliegezeit die Menge an Brötchen und Vollmilch die allmorgendlich bis an die Gangway angeliefert wurde. Dieser Lieferservice wurde auch allen ausländischen Schiffen in DDR-Häfen von der Schiffsversorgung Rostock angeboten und auch genutzt.

Ersichtlich wird bei dieser Bestellung ebenfalls, dass die auf den Schiffen befindliche Getränkeoase wohl ziemlich "leergefahren" war. Aus diesem Grunde die Anforderung nach neuen Getränkekonzentraten.

Die Frischobstbestände waren sicherlich auch schon an Bord dezimiert, so dass man zur Überbrückung erstmal eine Kiste Äpfel orderte.

Der Grundgedanke dieser Hafenbestellung war es u.a., eventuelle Engpässe bei dem vorhandenem Bordproviant nach Reiserückkehr für die Hafenliegezeit  kurzfristig zu überbrücken.

Nach wenigen Tagen wurde dann im Basishafen Rostock, Wismar oder Stralsund, dann die Neuausrüstung des Schiffes für die kommende Reise durch die Schiffsversorgung vorgenommen.


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